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NDR Kultur, 20. März 2008
"[…] Der Tenor Sung-Keun Park spielt und singt die Rolle eines dreifach gespaltenen Helden: Giacomo, der Bajazzo und die eigene Mutter - virtuos wechselt park zwischen den Rollen hin und her. Der in Hannover lebende Komponist Peter Francesco Marino hat erstmals Waechters Libretto vertont. Seine eigene zeitgenössische Tonsprache reichert er mit Jazz-Elementen und zahlreichen Zitaten aus der Operngeschichte an. Eine Hauptrolle spielt auch der zwölfköpfige Kammerchor, der die Rolle von Giacomos Gewissen übernimmt und die Handlung bis zu ihrem überraschenden Ende immer ironisch bricht."
[Anna Hoben]
Hannoversche Allgemeine Zeitung, 22. März 2008
"Dieses Stück hat es in sich. Und das darf man wörtlich nehmen. Es gleicht einer russischen Matrjoschka, dieser Puppe, in der eine Puppe steckt, in der eine Puppe steckt - und so weiter. In seinem bereits 1996 geschriebenen Opernlibretto "Mutter Bajazzo" hat der Frankfurter Theatermacher F. K. Waechter ein Doppelspiel aufgebrochen und weiter ineinander verschachtelt. Und Peter Francesco Marino hat jetzt dazu eine Musik komponiert, die dieses Spiel im Spiel lustvoll und gelegentlich auch lustig weiterdreht. Dem hannoverschen Publikum gefiel dies bei der Uraufführung im ausverkauften Ballhof hörbar, es beklatschte Heidi Mottls zielsichere Inszenierung begeistert.
Ob F. K. Waechter damit posthum einen ähnlichen Erfolg feiern kann wie mit seiner „Eisprinzessin“, die Hannovers Schauspielfreunde bislang schon mehr als 250-mal sehen wollten, bleibt allerdings abzuwarten. Es ist doch noch ein Unterschied, ob man ein modifiziertes Schauspielmärchen genießt oder eine zeitgenössische Kammeroper. Ein bisschen Vorwissen kann hier nicht schaden und Aufgeschlossenheit gegenüber aktuellen Klängen auch nicht, obschon in diesem Fall Klangprovokationen der Hardcore-Avantgarde nicht zu erleben sind.
Es geht in „Mutter Bajazzo“ genau um das, was der Titel verspricht, also um Bajazzo und seine Mutter. Wir erinnerern uns: Ruggero Leoncavallos Erfolgsoper „Der Bajazzo“ erzählt von dem eifersüchtigen Komödianten Canio, der auf der Bühne den eifersüchtigen Bajazzo verkörpert und dort aus dem Spiel tödlichen Ernst macht.
F. K. Waechter treibt diese Verschachtelung drastisch weiter. Sein Held heißt Giacomo Püst und ist ein Tenor, der eben diesen "Bajazzo" singen will. Und der hat seine Mutter Kerstin Püst nicht nur im sprichwörtlichen Nacken, sondern auch noch im Kopf. Er verwandelt sich immer wieder in seine keifende, eifersüchtige, durchgeknallte Mutter. Für alle, die dabei nicht von selbst an Alfred Hitchcocks Thriller "Psycho" denken, hat Komponist Marino dankenswerter Weise die gellenden Geigenklänge aus der dazugehörigen Filmmusik übernommen.
Der Tenor singt also für vier, dafür schweigt seine angebetete Sylvia für zwei: Die Tänzerin verkörpert auch Canios untreue Gattin Nedda. Dafür trägt der Chor Stimmen bei und das klein besetzte Orchester die Stimmung, wenn etwa das Tenorsaxofon die Kapitelüberschrift "Mama’s got the Blues" beglaubigt.
Peter Francesco Marino hat eine Partitur geschrieben, die Songspiel und Opernzitat, Jazz-Elemente und Tango-Beschwörung verbindet und fern an den frühen Hindemith erinnert. Das tönt mal "malinconico" und mal "tristanesk" - man muss diese Partiturangabe aber nicht unbedingt kennen, um zu hören, dass bei Giacomos Liebeserklärung an Sylvia jederzeit Tristans Isolde vorbeikommen könnte.
Das knapp anderthalbstündige Stück hat auch ein paar Längen, aber es mündet in ein furioses Finale. Was heißt hier eines: Im Original-"Bajazzo" heißt das "La commedia è finita!" Die Komödie ist zu Ende. Aber so einfach geht das hier nicht. Der Vorhang fällt und fällt und fällt. Und am Ende freut sich der Tenor: "Nun muss ich nie mehr eine Oper singen."
Was aber schade ist, weil Sung-Keun Park die schweißtreibende Vierfachrolle mit Farbenreichtum und mit Spielwitz, mit Spaß an der komödiantischen Verwandlung und am psychopathischen Rollenspiel vorführt. Ausstatterin Anna E. Lalloz hat in den Ballhof eine lange Rampe gebaut, die von der Bühne über den kleinen Orchestergraben hinweg auf die Treppe hinaufführt, wo Sylvia einen großen Auftritt haben darf: Anja Spitzer wird in dieser stummen Rolle von Tamara Schmidt unterstützt und zeigt, wie beredt Körpersprache sein kann. Dass sich der Chor aus den Zuschauerreihen erhebt, passt ins Spiegelkabinett dieser Geschichte.
Regisseurin Heidi Mottl achtet erfolgreich darauf, dass die nahe liegenden Rollenbilder nicht zum Klischee erstarren: der eitle Tenor, die wahnsinnige Mutter, der verwirrte Liebende, all das sind Chiffren, aber keinesfalls Karikaturen. Auch Dirigent Toshiaki Murakami und das Kammerensemble des Staatsorchesters balancieren geschickt auf dem schmalen Grat zwischen augenzwinkernder Beschwörung des Opernzaubers und seiner liebevollen Demaskierung.
Das Ergebnis ist intelligente Unterhaltung."
[Rainer Wagner]
Neue Presse, 22. März 2008
"[…] So eine Oper kann nur gut gehen, wenn man einen entsprechenden Sänger hat. Wie den koreanischen Tenor Sung-Keun Park: Die Uraufführung ist sein Abend, er schafft dieses Spiel im Spiel mit den drei Ichs. […] Die tolle Tonspur vom hannoverschen Komponisten Peter Francesco Marino changiert, schillert, wandelt die Farbe mit der Seelenlage des Hauptdarstellers, ist aus allem zusammengesetzt, was die jüngere Musikgeschichte zu bieten hat: ein wenig Schönberg, Weill, Zemlinsky-Violinen, Moritatengesang, Filmmusik, Wagner-"Tristan" - und einem schrägen Mutter-Blues mit mächtig rörendem Saxofon. […] Riesenjubel, viele Bravos gabs für Sänger Sung-Keun Park, Tänzerin Anja Spitzer, Dirigent Toshiaki Murakami und das Regieteam unter Heidi Mottl."
[Henning Queren]
Il giornale della musica, März 2008
"In marzo debutta all’Opera di Stato della Bassa Sassonia di Hannover l'opera da camera Mutter Bajazzo (Madre Pagliaccio), composta su un testo del 1996 del disegnatore, caricaturista e autore di libri per l’infanzia e testi teatrali Friedrich Karl Wächter, scomparsonel 2005. […]"
[Stefano Nardelli]
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